Die Methode
Misserfolge in der Kieferorthopädie können eher die Folgen von Fehldiagnosen sein als die einer falschen zahnärztlichen Technik. Wenn funktionelle und parafunktionelle Faktoren der Okklusion bei der Wiederherstellung einer normalen okklusalen Beziehung unberücksichtigt bleiben, ist ein Misserfolg nach aktiver Behandlung möglich – mit entsprechenden finanziellen Folgen für die Eltern des behandelten Kindes.
Eine wichtige Hilfe für die kieferorthopädische Behandlung
Es kann zu einem Misserfolg kommen, wenn die orofazialen Muskeln sich nicht an das neue Okklusionsmuster adaptiert haben. Viele bedeutende Kieferorthopäden (z.B. Edward H. Angle, bereits 1913, und Charles S. Tweed) hatten dieses Problem erkannt und arbeiteten eng mit Myofunktions-Therapeuten zusammen nach dem Prinzip: «Form follows the function and function follows the form.»
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Die Orofaciale Therapie ist vorbeugend, vorbereitend und begleitend. Sie ersetzt keine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist jedoch als unterstützende Massnahme eines ärztlichen Behandlungskonzepts sehr wertvoll.
Behandlungskonzept nach Garliner
Am Institute for Myofunctional Therapy von Prof. Daniel Garliner bestand bis zu seinem Tode (2002) über mehr als drei Jahrzehnte hinweg ein klares Studienkonzept, das sich darin manifestierte, dass Grundlagen der kieferorthopädischen Diagnose und Planung mit den speziellen Erkenntnissen der MFT, gewissermassen einer speziellen Art der Physiotherapie für den Mund/Kiefer/Gesichts-Bereich, kombiniert werden. Diese theoretischen und praktischen Grundlagen wurden anhand von Vorlesungen erarbeitet (Grund- und Postgraduate-Studienlehrgänge), im Anschluss daran in Seminaren diskutiert und verdichtet sowie in ausführlicheren Übungen anhand konkreter Fälle praktisch gelehrt und umgesetzt.
Die Indikationen für eine Myofunktionelle Therapie sind folgende:
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Frontale Fehlstellungen
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Laterale Nonokklusionen (seitlich offener Biss und seitliche Kreuzbisse)
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Offener Biss vorne
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Bimaxilläre Protrusion (lückige Fronten)
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Klasse III-Okklusion, Formenkreis der Progenie
Bereits 1961 schrieb der amerikanische Kieferorthopäde Dr. John Hawley Rogers: «Obgleich die Meinung der Kieferorthopäden über die Technik und die Philosophie einer Behandlung auseinandergehen, besteht dennoch fast einhellig die Meinung, dass es schwierig ist, beispielsweise einen regulierten «Offenen Biss» auf Dauer zu stabilisieren. Weil die Zungenbewegung eine so wichtige Rolle spielt bei der Entstehung sowohl des frontalen als auch das lateralen «Offenen Bisses», wie auch bei einem Rezidiv nach erfolgter Behandlung, ist es offensichtlich wichtig, die Häufigkeit von Schluck-Anomalien frühzeitig zu diagnostizieren.»
Teamarbeit von Kieferorthopädie und Orofacialer Physiotherapie
Als grundlegendes Element bei Prof. Garliner wurde in den Studiengängen die wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen dem Kieferorthopäden und dem Myofunktions-Therapeuten betont. Diese interdisziplinäre Arbeitsweise kann zur sinnvollen Planung und Therapie für die Lösung okklusaler Probleme führen.
In den Praxen von Dr. R. Schwitzer, Olten, und Dr. J. Wüthrich, Aarau, Fachzahnärzte für Kieferorthopädie SSO, wird die Orofaciale Physiotherapie seit über 25 Jahren erfolgreich eingesetzt.
Therapieansatz der Orofacialen Therapie/Myofunktionellen Therapie (MFT)
Die MFT bezweckt die Korrektur von orofazialen Dyskinesien. Funktionskorrigierende Massnahmen (FKM) wäre eine bessere Bezeichnung als MFT. Mit der MFT werden physiologische Bewegungsmuster erlernt und schädliche Gewohnheiten (Habits) abgebaut. Zahnfehlstellungen und Kieferanomalien können auf verschiedene Art und Weise entstehen. Es spielen sowohl genetische Faktoren als auch Umweltfaktoren eine Rolle.
Gewohnheiten (Habits)
Nuckeln, Lutschen, Lippenkauen, Lippenbeissen, Lippenlecken, Zungenpressen, Fingernägel- und Bleistiftkauen, Haarelecken usw. werden in der MFT so früh wie möglich abgewöhnt, um die Auswirkungen auf das bleibende Gebiss so gering wie möglich zu halten.
Form und Funktion
Die MFT basiert auf der Erkenntnis, dass eine ausgeglichene Funktion der Wangen- und Lippenmuskulatur sowie des Zungenmuskels (Muskelbalance) eine natürliche Zahnsteilung bewirkt. Eine muskuläre Dysbalance kann sich auf den ganzen Körper auswirken.
Die MFT übernimmt folgende Funktionen und Aufgaben:
Schlucken lernen
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Die MFT bewirkt ein neues physiologisch und funktionell korrektes Schluckmuster
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Die Zunge drückt beim Schlucken nicht mehr nur gegen die Zähne.
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Die Zunge setzt beim Schlucken hinter der papilla incisiva an den Gaumenfalten an.
Ziele der MFT
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Abbauen von schlechten Gewohnheiten (bad habits)
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muskuläres Gleichgewicht im Kiefer- und Gesichtsbereich
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Lippenschluss und Nasenatmung
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physiologische Zungenruhelage
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physiologisches Schlucken
Die MFT spielt eine wichtige Rolle in jedem Alter:
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in der frühkindlichen Entwicklungsförderung
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im Vorschul- und Schulalter
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im Erwachsenenalter bei der Kombinationstherapie von Kieferorthopädie und Kieferchirurgie sowie bei prothetischen Versorgungen
Die MFT ist eine vorbeugende, vorbereitende und begleitende Therapie. Sie ersetzt jedoch in den meisten Fällen eine kieferorthopädische Behandlung nicht. Sie ist als unterstützende Massnahme eines ärztlichen Behandlungskonzeptes zu verstehen.
Interdisziplinäre Therapie
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Eine Behandlung im Bereich der orofazialen Dyskinesien (Dysfunktionen) kann eine interdisziplinäre Kommunikation mit den folgenden Fachdisziplinen/Fachbereichen erfordern:
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Zahnmedizin/Kieferorthopädie
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Kinderheilkunde
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Hals-Nasen-Ohren Heilkunde
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Physiotherapie
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Logopädie