Berufspraxis
Die Spezialtherapie umfasst weitestgehend die Behandlung von Krankheitsbildern, die in der Kranken- und Leistungs-Verordnung (1998), insb. Art. 17 f definiert sind:
- Dysgnathien
- Orofaciale Dyskinesie,
- schwere Störungen des Schluckens
- Lippen-Kiefer-Gaumenspalten
- Makroglossien (IV Ziffer 218): orofaciale Physiotherapie prae- und postoperativ nach Zungenreduktionsplastik
Die orofaciale Physiotherapie ist vorbeugend, vorbereitend und begleitend. Sie ersetzt keine kieferorthopädische Behandlung. Sie ist jedoch als unterstützende Massnahme eines ärztlichen Behandlungskonzepts sehr wertvoll.
Studienkonzept der Methode Garliner
Am Institute for Myofunctional Therapy (Prof. Daniel Garliner) bestand bis zu seinem Tode über mehr als drei Jahrzente hinweg ein klares Studienkozept, das sich darin manifestierte, dass Grundlagen der kieferorthopädischen Diagnose und Planung mit den speziellen Erkenntnissen der MFT, gewissermassen einer hoch speziellen Art der Physiotherapie für den Mund/Kiefer/Gesichts-Bereich, kombiniert wurden. Diese theoretischen Grundlagen wurden anhand von Vorlesungen erarbeitet (Grund- und Postgradute-Studiengänge), im Anschluss daran in Seminaren diskutiert und verdichtet sowie in ausführlichern Übungen an hand konkreter Fälle praktisch gelehrt und umgesetzt. Die Studiengänge wurden jeweils mit einer Prüfung abgeschlossen
und, bei Bestehen, mit einem Diplom bestätigt.
Der Inhalt der Studiengänge bezog sich mehrheitlich auf die acht Grund-Erscheinungs-formen okklusaler Fehlstellungen, die mit Hilfe der MFT gemäss statistischen Untersuchungen signifikant bessere Therapieergebnisse brachten als bei einer ausschliesslich kieferorthopädischen Behandlung.
Diese acht Erscheinungsformen sind folgende:
- Frontale Fehlstellung
- Nonokklusion von Molar zu Molar
- Offner Biss
- Bimaxilläre Protrusion
- Klasse III-Okklusion
- Deckbiss
- Einseitige Nonokklusion im Seitenzahnbereich
- Bilaterale Nonokklusion
Auf die orofaciale Physiotherapie bezogene Diagnose
Es ist für den Kieferorthopäden in den acht beschriebenen Erscheinungsformen, die mit einem gestörten orofazialen Muskelgleichgewicht zusammenhängen, wichtig, vor einer zahnärztlichen Behandlung genau dieses gestörte Gleichgewicht und das falsche Schlucken zu diagnostizieren, die zu dem spezifischen okklusalen Problem, in Beziehung stehen, das er behandeln will. Dies wurde schon von vielen bekannten Kieferorthopäden festgestellt.
Bereits 1961 schrieb der Amerikaner Kieferorthopäde Dr. John Hawley Rogers: «Obgleich die Meinung der Kieferorthopäden über die Technik und die Philosophie einer Behandlung auseinandergehen, besteht dennoch fast einhellig die Meinung, dass es schwierig ist, beispielsweise einen regulierten «Offenen Biss» auf Dauer zu stabilisieren. Weil die Zungenbewegung eine so wichtige Rolle spielt bei der Entstehung sowohl des frontalen als auch das lateralen «Offenen Bisses», wie auch bei einem Rezidiv nach erfolgter Behandlung, ist es offensichtlich wichtig, die Häufigkeit von Schluck-Anomalien zu untersuchen.»
Teamarbeit von Kieferorthopädie orofacialer Physiotherapie
Als grundlegendes Element bei Prof. Garliner wurde in den Studiengängen die wirkungsvolle Zusammenarbeit zwischen dem Kieferorthopäden und dem Muskelfunktions-Therapeuten behandelt. Diese interdisziplinäre Arbeitsweise kann zur sinnvollen Planung und Therapie für die Lösung okklusaler Probleme führen. Dies wird durch einen umfassenden Behandlungsplan, der auf Differential-Diagnose basiert, erreicht.
Fazit
Fachkräfte, die eine jahrelange gründliche Aus- und Fortbildung am Institute for Myofunctional Therpy genossen haben oder jüngere Spezialistinnen, die ihre Kenntnisse an den mittlerweile zahlreichen und regelmässig stattfindenden Aus- und Fortbildungsgängen in Europa erworben haben, sind in der kieferorthopädischen Praxis eine unverzichtbare Bereicherung, stellen sie doch aufgrund der möglichen interdisziplinären Zusammenarbeit eine wirkungsvollere und damit gesamthaft auch wirtschaftlichere Therapie sicher.
Die heute gerade im KVG postulierten Gebote, die WZW-Kriterien, sind erstklassig erfüllt:
- wirksam, weil die orofaciale Physiotherapie sehr zielgerichtet exakt dort ansetzt, wo das gestörte Muskelgleichgewicht eine Zahnfehlstellung bewirkt,
- zweckmässig, weil orofaciale Physiotherapie eine jahrzehntelang erfolgreich angewandte und statistisch aufgrund wissenschaftlicher Kriterien überprüfte Methode geworden ist
- wirtschaftlich, weil die orofaciale Physiotherapie den meisten be andelten Fällen ein Rezidiv nach kieferorthopädischer resp. interdisziplinären Behandlung verhindert, was sowohl finanziell wie bezüglich der Lebensqualität der Patienten von hoher Relevanz ist.
Orofaciale Physiotherapie wird in unsem Praxen seit 25 Jahren erfolgreich eingesetzt. Wir sind davon überzeugt, in sehr vielen Fällen dank dieser wertvollen Unterstützung und Begleitung unserer kieferorthopädischen Arbeit ein optimales und besseres Resultat erreicht zu haben, das allein durch die traditionelle Kieferorthopädie nicht zu erzielen gewesen wäre.